2004 - Reamonn Interview (German)
5 Jahre Reamonn - das Interview mit Uwe und Sebastian
TJ: Fuenf Jahre Reamonn. Was hat sich geaendert? Sind die Leute beknackter geworden zu euch, in eurer Heimatstadt? Ist es leichter oder schwieriger geworden bekannt zu sein in Deutschland?
Uwe: Die Leute sind netter geworden, viel netter – eigentlich zu nett. Das ist irgendwie so die Geschichte die jeder erzählt. Plötzlich bist du erfolgreich und überall sind Blumen. Mit der Zeit blickst du dann hinter die Kulissen und weißt, dass du jetzt wieder aussieben musst. Wir sind ja die gleichen Typen wie davor. Wir hatten ein paar nette Zeitungsartikel und ein paar schöne Platten, die die Leute moegen und das veraendert schon viel, mehr als es eigentlich müsste.
TJ: Reamonn ist ja nicht Rea, sondern die Band. Wenn Interviews gemacht werden dann fragt immer jeder: Kann ich das Interview mit Rea machen?!, stört euch das ein bisschen?
Uwe: Das stoert einen am Anfang, da muss man ganz ehrlich sein, das wird auch oft gefragt, gerade von der Boulevardpresse, aber mit der Zeit stoert einen das nicht mehr. Ich hatte das ja auch mit manchen Bands. Dass Bon Jovi nur ein Typ ist habe ich bis 16 gedacht. Wenn man sich nicht fuer eine Band interessiert, dann denkt man halt, das ist nur ein Typ. Wenn man sich dann mehr fuer die Band interessiert, dann merkt man, da stehen ja noch ein paar Typen hintendran. Mit den Jahren sind wir da gut zurecht gekommen. Die ganzen Leute die heute kamen, die kennen die Songs in und auswendig...
TJ: Ja, wir haben einige eurer Fans getroffen. Ausser einigen Songs von der ersten CD kannte ich nicht viel, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich eure Show als sehr ehrlich empfand. Hut ab. Wir machen das Interview ja fuer Regensburg und eure Fans haben uns sehr geholfen. Sind irgendwie alle Deutsch (Uwe nickt). Ist ja cool, dass die euch alle nachreisen. Ist das auch Druck? Verzeihen die euch schlechte Abende, habt ihr schlechte Abende?
Sebastian: Der Witz ist, wenn wir denken wir hatten jetzt einen schlechten Abend, was natuerlich passiert, wir sind ja auch nur Menschen, dann merken das andere meistens gar nicht. Wir sind dann meistens schlecht drauf und denken, oh, das war jetzt Scheisse, wir haben nicht so gut gespielt, es hat nicht so gegroovt oder so und du triffst dann Leute, die die Band gut kennen und die sagen: „Boah, das war total gut heute“ und du denkst: O.K.?! – Weißt du, wenn du so drinsteckst, dann sind das so die Kleinigkeiten die uns so auffallen und andere merken das gar nicht so.
Uwe: Du hast so einen gewissen Level als Musiker, den hast du einfach und dem entsprichst du auch immer. Du bist halt innerhalb dieser Range manchmal ein bisschen besser oder schlechter aber jemand der da draussen steht, der wird das wahrscheinlich niemals merken. Wie Sebi sagt, manchmal denken wir: Der Gig war eine Katastrophe und dann kommen Leute zu dir und sagen: „Ihr habt mein Leben veraendert...“ Ich glaube, wenn man eine Band macht und wenn man davon lebt und jeden Tag im Proberaum verbringt, dann ist das auch das Muss, dass man seinen Fans etwas zurück gibt. Ausnahmslos. Man geht nicht einfach so mal nicht auf die Buehne oder so, das laueft einfach nicht.
Sebastian: Du machst das ja auch fuer dich. Du machst das ja nicht nur fuer die Fans, sondern du musst ja auch fuer dich ein gutes Gefuehl haben. Ich muss denken: Ich hab gut gespielt und ich haette gar nicht besser spielen koennen. Das sind alles echte Perfektionisten in der Band und wenn einer mal nicht so gut war, das kriegt er dann hinterher von den anderen Vieren auf’s Brot geschmiert, so nach dem Motto: „Was war denn mit dir los, das war ja gar nichts...“ Die kriegen das schon mit bei uns in der Band. Jeder weiss was der andere spielt.
TJ: Wo seht ihr euch in 10 Jahren. O.K., Zehn Jahre ist ne lange Zeit aber was denkt ihr: Wird es Reamonn noch geben?
Uwe: Wir hatten schon mal solche Fragen, gerade nach „Supergirl“, Was ist in 5 Jahren, was ist in 10 Jahren?
Sebastian: Wir haben immer gesagt, wir wollen in andere Laender fahren, in anderen Laendern spielen. Komischerweise, wir haben jetzt in Portugal Stadien gespielt, in Litauen Stadien gespielt, wir spielen in Istanbul, am 15. glaube ich, Stadium ...
Uwe: Ich kann mich an so ein Gespraech mit Sebi erinnern; Da sind wir gerade aus Litauen, Letland und Estland zurueck gekommen und wir sitzen so in unserer kleinen Wohnung in Deutschland und Sebi meinte irgendwie: „Das kotzt mich echt an, ich will jetzt endlich Stadien spielen, so richtig Europaweit und so...“ und ich sagte: „Ehm, wir kommen doch gerade aus..wir eh haben doch gerade erst Stadien gespielt“. Manchmal vergisst man irgendwie wo man steht, weil was die meisten vergessen ist, dass wir eigentlich ein ganz normales Leben fuehren. Passiert uns manchmal, wenn du so zu Hause bist, im normalen
Leben drin, so mal fuer zwei Tage, und ploetzlich stehst du so vor den ganzen Leuten, das ist schon schwierig das manchmal auf die Reihe zu kriegen.
TJ: Dieses „High“ das ihr dann habt wenn ihr auf der Buehne steht, wie kompensiert ihr das?
Uwe: Das ist die Droge, das ist die beste Droge.
TJ: Wie ist das wenn ihr Monate lang unterwegs seid, habt ueberall gespielt und dann kommt das Ende der Tour, bumm, was dann?
Sebastian: Das ist der Hammer. Das ist das Schwierigste ueberhaupt. Ohne Scheiss, das ist echt beschissen. Da bist du dann zu Hause, am ersten Tag bist du voll fertig, dann sitzt du so rum und am zweiten Tag spaetestens schmeisst du dann das Album rein und hoerst es voll laut.
Uwe: Und dann merkst du so am 4. Tag, wie sich alle wieder anrufen ...
Sebastian: Dann rufen sie alle an, so: „Was machst’n gerade?“ das ist schon geil.
Uwe: Weil irgendwie keiner ruhig sitzen kann und dann denkt dann: Der andere hat jetzt keinen Bock mehr oder so und dann fragt man: Was machst n du eigentlich gerade?
TJ: Man hat es bei vielen Bands erlebt: Was ist wenn einer aussteigen wuerde? Denkt ihr, das wuerde euch nur staerker zusammen wachsen lassen oder denkt ihr, ihr wuerdet euch neu formieren? Was sind eure Gedanken dies bezueglich?
Uwe: Der Gedanke das einer ausfaellt, das waere eigentlich das Ende der Welt. Ich denke das funktioniert nur wenn du wirklich so abgefuckt bist, und so alt, dass die Musik nur noch ein Business geworden ist und dann faellt da ein Teil weg von der Band, der dann zu dem Zeitpunkt nicht mehr wichtig ist. Dann funktioniert das. Ich koennte mir das gar nicht vorstellen mit einem anderen Drummer, einem anderen Bassisten oder anderem Keyboarder.
TJ: Wenn so etwas wirklich mal passieren wuerde, waere es nicht logischer zu sagen, ihr wuerdet neu besetzen. Wenn Leute zu dir kommen und dir saggen, du hast ihr Leben veraendert, hat man dann nicht auch eine Aufgabe den Fans gegenueber? Ich meine, zurueck ins normale Leben wuerde wahrscheinlich gar nicht funktionieren, oder?
Uwe: Also, das ist unser normales Leben. Ich glaub, dann wuerden wir ne andere Band machen oder so. Wir sind Musiker, wir waren davor Musiker und wir werden immer Musiker sein. Das hat mit der Band nichts zu tun. Wenn es die Band nicht mehr geben wuerde, dann waere ich der ungluecklichste Mensch auf der Welt aber das Leben geht ja weiter.
TJ: Na ja, angenommen du hast ne neue Band, hast viele neue Sachen geschrieben und keiner will sie wirklich hoeren, ist das als Kuenstler nicht schwierig?
Sebastian: Da wo wir jetzt sind, da hast du ja schon andere Connections als wenn du jetzt gerade frisch aus dem Proberaum kommst oder so. Mal angenommen das fliegt wirklich alles auseinander, dann sind da 5 Leute und ich koennte mir schon vorstellen, dass dann jeder auf einem ganz anderen Level weiter macht als vorher. Dass die Leute dann wieder Unterrichten gehen, auf irgendwelchen Jazz – Sessions abhaengen oder wieder Hochzeitsmukke machen, das ist glaube ich wirklich vorbei. Ich meine, das war auch wichtig, es war eine harte Schule aber eine wichtige Schule und ich glaube, es gibt keinen Musiker, ob Prince oder Quincy Jones, der das nicht gemacht hat.
Uwe: Da ist ja nicht nur ne Band gewachsen, sondern da sind ja auch tiefe Freundschaften gewachsen. Das die Band sich aufloesen koennte ist kein Gedanke der in unseren Koepfen aktuell ist. Es gibt schon so Situationen wo alles verfahren scheint und man denkt, das war jetzt aber Scheisse. Dann setzen wir uns zusammen und wissen, wir muessen das Loesen und das ist dann auch wieder der Motor um weiter zu machen. Es ist ja auch ein Zeichen von Groesse und Freundschaft, dass man da drueber kommt. Das Thema das jemand die Band verlaesst also nicht, dass die Band zerfaellt, sondern das wirklich einer aussteigt ist voellig unakzeptable, das geht gar nicht.
TJ: Vieles von euch kannte ich nicht. Wie gesagt fand ich es relativ gut und ehrlich dargeboten. Ist das auch ein Schutz? Wird euch vorgeworfen, dass ihr Allueren haettet?
Sebastian: Wir hatten alle schon unsere Anfluege, das ist ja auch nur menschlich. Es geht staendig voll die Post ab, da kommst du ja gar nicht so schnell hinterher. Bei mir zuhause klingeln irgendwie wildfremde Leute, die ein Autogramm wollen. Ich habe die noch nie gesehen und die fahren durchs Land nur um die Wohnung zu finden, in der wir irgendwann mal einen Song geschrieben haben. Das ist schon der Wahnsinn. Da muss man schon aufpassen und ich weiss, dass jeder von uns schon mal seine Tage oder seine 5 Minuten hatte, wo er voellig abgehoben ist, wie man so schoen sagt, wo die anderen vier einen dann immer so auf den Boden zurueck holen, das ist echt grass. Wenn du halt auf Tour bist, dann gibt es da einen Punkt, wo du einfach abdrehst. Das viele Reisen ist cool aber du sitzt ja nur und diese angestaute Energie will raus. Das ist wirklich so wie man es von anderen Bands immer hoert. Da kommst du in ein Hotelzimmer und es ist keine Cola in der Minibar und dann kickst du den ganzen Kuehlschrank durch das Hotelzimmer, irre. Aber wir hatten das alle schon und wissen jetzt, wo wir stehen und sind mittlerweile mehr gefestigt.
TJ: Ihr habt mit’n paar Bands zusammen gearbeitet wie Jam & Spoon, Xavier Naidoo. Wie ist das? Mit wem wuerdet ihr gerne auftreten oder vielleicht nicht auftreten aber vielleicht den ein oder anderen Song zusammen schreiben?
Uwe: Also ich muss ganz ehrlich sagen, wir haben schon oft mit anderen Bands gearbeitet und wir haben da auch ganz verschiedene Meinungen. Xavier ist ein Wahnsinns Musiker und ein ganz lieber Mensch aber ich bin immer am gluecklichsten, wenn wir zu fuenft auf der Buehne stehen und nicht zu sechst. Einige in der Band sehen es als Motor, dass mal wieder was passiert, ich persoenlich brauch das nicht. Ich wuerde allerdings wahnsinnig gerne, weil ich frueher ja mal Jazz gemacht habe, zum Beispiel mit John Scaffolding auftreten, oder wenn Miles Davis noch leben wuerde, den wuerde ich gerne mal treffen. Ansonsten gibt es da niemanden. Ich freue mich auf die Songs die wir schreiben, wenn wir dann wieder mit jemand neues arbeiten, das ist dann immer so schwierig.
TJ: Was machen die Plattenfirmen?
Sebastian: Also zur Zeit ist es halt... der Vertrag laueft aus mit Virgin. Virgin ist ja von EMI gekauft, es ist eh total grass, was da im Moment in dem Bereich abstirbt und neu gemacht wird. Fuer uns ist es genau so spannend. Also wir wuerden einfach wahnsinnig gerne einfach weitermachen ,ist ja klar. Unser Vertrag laueft aus und unser Management verhandelt. Fuer uns macht es derzeit ja keinen Unterschied. Wir haben ja jetzt das Album schon seit einem Jahr in den Charts irgendwie. Wir denken zwar schon an das naechste Album aber dann kommt ja erst noch mal eine Single und die Live CD und DVD, die Sommertour. Die Maschine rennt.
TJ: Wir haben von eurem Management erfahren, dass es die aktuelle Platte in England nirgendwo zu kaufen gibt. Ist das nicht aergerlich, dass man so abhaengig ist von Plattenfirmen und Maerkten?
Uwe: Superaergerlich!
Sebastian: So darfst du gar nicht anfangen. Wenn du so anfaengst zu denken, dann bist du ja nur schlecht drauf. Du musst denken: Hey, wir haben jetzt Gold in Portugal. Ob du jetzt in England die Platte kaufen kannst oder nicht, ist mir eigentlich Wurst egal. Es waere natuerlich geil aber Scheiss drauf. Wir haben in Istanbul vor 30 000 Leuten gespielt, das ist viel geiler. Es gibt noch so viele Laender wo es die Platte noch nicht gibt. Es waere ja schlimm, wenn es schon ueberall die Platte gaebe und wir schon ueberall gespielt haetten.
Uwe: Es passiert ja auch so viel. Wir haben jetzt gerade erfahren, dass wir noch nach Brasilien gehen dieses Jahr, wir werden in Kanada spielen, wir werden sicher auch irgendwann in England spielen. Aber das ist als deutsche Band oder als Band die von Deutschland aus startet viel schwieriger als fuer die Kollegen die von Amerika aus starten. Die haben halt einen ganz anderen Streufaktor. Aber wie gesagt, das braucht halt Zeit. Wir haben schon das Gefuehl, dass es nach vorne geht. Wir werden bestimmt irgendwann in England auf der Buehne stehen, haben wir auch schon, und man wird sicherlich irgendwann auch in Amerika unsere Platte kaufen koennen. Also ich habe schon das Ziel und ich bin sicher, jeder in der Band hat den Traum irgendwann weltweit erfolgreich zu sein und dass man in jedem Laden unsere Platte kaufen kann. Ich mach das zum Beispiel immer wenn ich im Urlaub bin. Ich war neulich auf den Malediven und habe geschaut, ob es da unsere Platten gibt: Und es gab sie !!
TJ: Wir haben uns mit euren deutschen Fans unterhalten und ihnen versprochen euch das zu fragen, was sie wissen wollen: Wenn ihr auf eine einsame Insel gehen muesstet, welche 3 Dinge, keine Leute – nur Dinge, wuerdet ihr dahin mitnehmen?
(Gelaechter)
Sebastian: Na ja, ne Insel ohne Musik bringt nichts also muesste ne fette Anlage mit und ein Instrument wenn man keine Personen mitnehmen darf. Vielleicht so n I-Pod mit 10.000 Songs, mit unseren Alben drauf und ...
Uwe: ... 4000 weiteren Alben! Keine Menschen? Schade, drei Frauen waeren’s sonst gewesen (lacht)
Sebastian: Und dann noch was starkes zu trinken, weil man ja da so einsam ist.
TJ: Habt ihr euch an euren Alben schon mal tot gehoert? Geht das ueberhaupt?
Sebastian: Ich hab’s probiert. Es geht nicht. Ich verstehe es auch nicht.
Uwe: Wir sind noch am probieren. Also der erste Song den wir jemals geschrieben haben ist „La Trieste“, der ist uebrigens auf unserem 2. Album drauf, das kennst du ja nicht.
TJ: (Schaem). Ich hol’s mir, versprochen!
Uwe: Den haben wir 1998 oder so geschrieben. Der ist jetzt sechs Jahre alt und wir haben uns noch nicht tot gehoert an der Nummer, also von daher ... Ich hab uebrigens Verwandte in Regensburg.
TJ: Michael (der Kameramann) ist aus Regensburg. Ich bin Offenbacher aber das behalte ich meistens fuer mich.
Gelaechter und Verabschiedung.
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